Freitag, 17. Juni 2011

0/500 – Der infanteristische Halbkilometer

Der infanteristische Halbkilometer ist mehr als nur eine Entfernungsangabe. Er ist eine Philosophie, die der Ausbildung von Soldaten – insbesondere Infanteristen – zu Grunde liegen sollte.


Der Halbkilometer steht für die ersten 500 Meter Kampfentfernung. Beginnend bei der Kontaktdistanz bis zur Grenze der Wahrnehmungsfähigkeit des unverstärkten menschlichen Auges. Der Infanterist sollte dazu befähigt werden, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel im gesamten Bereich effektiv einzusetzen. In den allermeisten Fällen wird das Einsatzmittel mit der größten Wirkung das Sturmgewehr sein. Das einfachste Mittel werden seine Hände sein, gefolgt von einem Messer und der Kurzwaffe.

In der Ausbildung werden Distanzen von Null bis 3 Meter und jenseits der 300 Meter gern vernachlässigt. Entweder stehen keine adäquaten Schießbahnen zur Verfügung oder beim Training in Kontaktdistanz überwiegt die Angst vor Verletzungen bei sich oder dem Gegenspieler. Rechnerisch werden somit über 40% des Halbkilometers ausgeklammert. Das Resultat ist ein rudimentäres Ausbildungskonzept, welches die Teilnehmer in einer trügerischen Sicherheit ob ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten wiegt. Nur weil man etwas nicht trainiert, heißt das nicht, dass man es nicht braucht.

Schema der fünf Ringe
Wir dürfen nicht in Kategorien wie „Schießstand“ und „Schießsportentfernung“ denken. Draußen haben wir es grundsätzlich mit unbekannten Entfernungen zu tun und mit einer 360°-Umgebung. Waffensicherheit wird zu einem Faktor.
Die Schweizer Armee vermittelt ihren Soldaten innerhalb der Triangel der Schießausbildung ein Konzept, dass man als Schema der fünf Ringe bezeichnen könnte. In dieser schematischen Darstellung symbolisiert jeder Ring eine mögliche Entfernung zum Gegner, der eine spezielle, charakteristische Abwehrhandlung erfordert. Im innersten Kreis befindet sich der Kopf, oder die Psyche. Im englischen wird dieser Teil auch als Mindset bezeichnet. Der zweite Kreis entspricht der Armlängendistanz, gefolgt von der Messer- und Spraydistanz. Beim vierten Kreis spricht man von der Pistolendistanz. Der fünfte Kreis reicht bis zu einer Entfernung von 500 m und symbolisiert die Einsatzentfernung des Sturmgewehrs.

Sturmgewehr bleibt Primärwaffe
Das Sturmgewehr ist und bleibt (voraussichtlich noch sehr lange) die Primärwaffe des Fußsoldaten. Er muss sein Gewehr im 0/500-Bereich sicher einsetzen können. Den Fokus der Schießausbildung aber auf so genanntes „Nahbereichsschießen“ zu legen, ist kontraproduktiv. Zu allem Übel findet dabei meistens auch noch eine sehr freie Interpretation des Begriffs „Nahbereich“ statt. Dieser spielt sich nämlich nicht im Entfernungsbereich 30 oder 50 Meter ab. Der Nahbereich endet in der Gewehrausbildung bei 200 Metern.

Natürlich kann eine Langwaffe auf kurze Distanz sehr effektiv eingesetzt werden. Sie sollte aber nicht als Surrogat für eine Pistole und als Wirkmittel für einzig diesen Entfernungsbereich missverstanden werden. Ein Gewehr dient dazu, das Kampfgeschehen auf Distanz zu halten.

Verlorenes Wissen
Es waren u.a. die US Marineinfanteristen, die Anfang des 20. Jh. mit ihrer Schießausbildungsvorschrift einen Maßstab setzten, der bis heute gilt. Jeder US Marine ist zu allererst ein „Rifleman“ und als solcher befähigt, einen präzisen Manntreffer auf mindestens 500 Meter anzubringen. Das US-amerikanische Marineinfanteriecorps manifestierte mit seiner Ausbildungsvorschrift eine Entwicklung, die ihren Ursprung im deutschen bzw. Schweizer Sprachraum des 19. Jh. hatte.

Allerdings müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass im ausgehenden 20. Jh. und auch zu Beginn des 21. Jh. mit einer Fokussierung auf technische Hilfsmittel und auf „Spezialeinsatzkräfte“ querschnittlich in der Schießausbildung viel Wissen verloren ging.
Mancherorts wurde versucht, durch neue Körperhaltungen und bizarr anmutende Gewehrhaltetechniken das Rad neu zu erfinden. Im Ergebnis ist das nur eine unnötige Spezialisierung, welche eine Einschränkung von Universalität zur Folge hat.

Fazit
Schießen ist nicht wie Eiskunstlauf, wo es um Pirouetten und Grazie geht. Es ist eher wie Eishockey: Im Kollektiv unter Druck und ständiger Einwirkung des Gegners ein Ziel zu treffen.
Und wieso schießen wir 0-500? Weil wir es können…

Verbindlichsten Dank in die Schweiz für die Inspiration zu diesem Beitrag!

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